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Manche Menschen fluchen für ihr Leben gerne und können nicht genug davon bekommen. Hin und Wieder hören wir Beschwerden, dass man Schimpfworte mit Bedacht nutzen sollte, um sie nicht zu verharmlosen, wodurch wir dazu verleitet werden, uns neue Schimpfworte auszudenken - oder schlimmer noch - gar nicht mehr zu fluchen.
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Estimated reading time:5minutesDieser Artikel wurde geschrieben von Michael Adams, Englisch-Professor an der Indiana University. Da dieser Artikel die englische Sprache behandelt, werden einige Begriffe nicht übersetzt.
Wer sich jetzt angesprochen fühlt darf entspannt bleiben: im Durchschnitt fluchen wir nicht allzu viel, weshalb Schimpfworte - obwohl es Paradox erscheint - hier sind um zu bleiben.
Betrachten wir einmal die Kommunikationswege im Alltag: das persönliche Gespräch, Tweets, Notizen, Telefon-Chats, Emails. Diese Kommunikationswege ergeben einen riesigen Pool der täglichen Sprache. Timothy Jay, Psychology-Professor am Massachusetts College of Liberal Arts und bekannter Fluch-Experte, schätzt nach jahrzehntelanger Forschung, dass Schimpfworte etwa 0,5 Prozent unseres täglichen sprachlichen Outputs beanspruchen.
Diese Zurückhaltung ist kein Zufall. Die Meisten von uns wollen Schimpfworte nicht durch zu häufige Nutzung verharmlosen. Wir müssen die Kraft der Aussage von Schimpfworten erhalten, die so tiefgreifend und vielseitig ist, dass ich mich dazu angespornt fühlte ein Buch darüber zu schreiben, "In Praise of Profanity .”
Im Buch zeige ich, dass fluchen für den Menschen sehr wichtig ist, auch wenn es mehr und mehr in den Medien erscheint.
Warum überschätzen wir, wie oft wir fluchen? Wie kann unser Eindruck der Sprache um uns herum so falsch sein?
Wir bemerken vulgäre Ausdrucksweisen, weil wir sie so unregelmäßig benutzen. Obwohl sie uns vertraut sind, überraschen sie uns manchmal, weswegen wir ihre Rolle überbewerten. Neben der Häufigkeit sind wir manchmal in unüblicher Form vulgär - z. B. das eingefügte "abso-f-king-lutely" oder "guaran-f-king-tee" - oder nutzen die Profanität zum Wecken von Aufmerksamkeit: "F-ck me!" oder "Go f-ck yourself!". Ebenso nutzen wir vulgäre Sätze, die in bestimmter Betonung an Ausdruck gewinnen, wie "Was zur Hölle", ein Satz dessen Muster so bekannt ist, dass man einfach nur "Was zur...." zu sagen braucht und der Zuhörer denkt sich den Rest der Aussage. Fluchen fällt auf, man kann es nicht ignorieren.
Die Tabuisierung des Fluchens hat sich in den vergangenen Jahrzehnten gelockert - von der Abschaffung einiger Obszönitäten-Gesetze in den 1930ern, über die anti-autoritären 1960ern, zum wachsenden Einfluss der Teenie-Kultur seit den 1970ern. Heute hören und lesen wir obszöne Ausdrücke, wo es früher undenkbar war, z. B. in Filmen, im Fernsehen, in Magazinen, in Büchern und dem unzensierten Internet, was uns mehr und mehr Obszönitäten aussetzt. Der Trend ist offensichtlich, sogar in Literatur für junge Erwachsene.
Es ist für alle Altersgruppen zugänglich, vom Euphemismus "What the hay?" in My Little Pony zur Vollgas-Version "motherf-cking c-ks-ckers" der Sopranos. Es ist allerdings noch nicht klar, in wie weit die Obszönitäten in den Medien unsere tägliche Sprache beeinflussen. Man kann nicht sagen, ob wir heute mehr im Alltag fluchen, als vor 50 Jahren, da es damals noch keine Studien dazu gab. Wir können daher unser Fluchen - zumindest im Hinblick auf die Häufigkeit - nicht mit dem unserer Großeltern vergleichen.
Wir sind uns durchaus bewusst, dass das Fluchen einen bestimmten Zweck erfüllt und dass übermäßige Verwendung diesen Effekt schmälern würde. Manche Menschen nutzen vulgäre Ausdrucksweisen um Intimität (z. B. beim Sex-Talk) oder Solidarität zu fördern (z. B. Chats oder im Meetingraum). Auch wird es zur Markenbindung verwendet, wie bei Tumblrs langem Katalog der "Fuck Yeah"-Seiten (es gibt so viele, dass es ein "Fuck Yeah of Fuck Yeahs" gibt). Wir bilden eine Beziehung zu Personen, die das Risiko mit uns eingehen. Und wenn du extrem frustriert bist und du mit normaler Sprache nicht mehr ausdrücken kannst, wie sehr es dich frustriert, schreist du eine Obszönität, weil die gewöhnliche Sprache dich im Stich gelassen hat.
Obszönitäten haben ihren Platz und wir benötigen sie. Einige Gehirnforschungen ergaben sogar, dass Fluchen ein gesunder Weg zum Stressabbau ist, besonders wenn wir Schmerzen empfinden. Andere Studien fanden heraus, dass wir Obszönitäten in einem bestimmten Teil des Gehirns speichern, was darauf hindeutet, dass Fluchen ein Teil des Mensch-seins ist und Menschen intuitiv Schimpfworte für Anlässe reservieren in denen es zählt - sie sind wertvoll und wir können es uns nicht leisten so viel zu fluchen, dass es seinen Effekt verliert.
Paradoxerweise brauchen wir das Fluchen, um menschlich zu sein, doch wenn wir zu obszön werden, sind wir weniger menschlich - und verlieren eine einzigartige menschliche Fähigkeit.
Es ist unwahrscheinlich, dass wir Schimpfworte in naher Zukunft "abnutzen". Das sind gute Nachrichten, denn wenn wir die uns bekannten Schimpfwörter nicht mehr nutzen könnten, müssten wir uns neue ausdenken, um den Bedarf an Ausdrücken in unserer Gesellschaft zu bedienen.
Es wäre nicht einfach. Natürlich, denken wir uns ständig neue Wörter aus. Wir bilden Umgangssprache im vorbeigehen und oft ist sie genauso schnell wieder vergessen. Würde man jeden umgangssprachlichen Ausdruck im Englischen erfassen, der jemals existiert hat, wäre des Lexikon dicker als jedes bestehende und Jonathan Greens, Gegenkultur-Historiker, "Green's Dictionary of Slang" hätte drei Bände, 6.000 Seiten und würde ständig erweitert.
Obszönitäten haben im Vergleich ein sehr kleines Vokabular. Jesse Sheidlowers "The F Word", der früher Editor des Oxford Englisch Dictionary war, hat etwa 400 Einträge, aber einige sind sich sehr ähnlich - wie "mindf-ker", "mindf-k" und "mindf-king" - daher ist das tatsächliche f-Lexikon deutlich kleiner. Wir erfinden langsam neue Obszönitäten - "f-kwad (1974), WTF (1985), f-knut (1986), f-ktard (1994)" - deren Ausdrucksstärke hängt hauptsächlich vom soliden obszönen Wortstamm ab. Die Endungen -nut oder -wad ergänzen eine bestimmte Bedeutung oder einen Unterton oder greifen den Kontext des Gesprächs auf. Aber solche Neuerscheinungen fallen nie weit vom bestehen Stammbaum der Schimpfwörter ab.
In der Umgangssprache erschaffen wir neue Wörter, Obszönitäten sind in diesem Zusammenhang fast das Gegenteil. Wir nutzen sie kreativ, aber innerhalb bestimmter Grenzen. Man muss verstehen, was gemeint ist, während man bei Umgangssprache oft eine Grenze zwischen "Insidern" und "Outsidern" zieht, Obszönitäten gelten jedoch für alle. Wenn wir es doch schaffen Schimpfworte kreativ zu nutzen, entkommen wir damit der Gravitation der Geschichte und Gesellschaft. Kreativität gegen jede Wahrscheinlichkeit.
Wir verlassen uns seit Jahrhunderten auf dieselben Obszönitäten. "F-k" gibt es im Englischen seit dem späten 15. Jahrhundert. "S-t" gibt es seit dem Alt-Englisch, obwohl es als persönliche Beleidigung mit den F-Wort auftauchte und wurde erst ab Mitte des 19. Jahrhunderts als Ausruf ("Oh s-t") verwendet. "B-tch" kam ungefähr ab dem Jahr 1400 auf, aber scheinbar war vor 1700 keiner der "son of a b-tch".
Dieses kleine Repertoire historischer Profanität hat bisher gut funktioniert und es wäre eine Schande und unbehaglich, wenn Schimpfworte ihre Ausdruckskraft verlieren würden. Wir könnten sicher kein Komitee bilden, um neue Schimpfworte zu designen, zu verteilen und zu regulieren - Sprache funktioniert so nicht, zumindest in Amerika. Natürlich verwenden manche Menschen zu viele Schimpfworte. Aber insgesamt können wir uns darauf verlassen, dass eine Person nur dann flucht, wenn es auch angebracht ist, womit wir bei nur 0,5 % unserer täglichen Sprache wären. Wenn wir diese Rate beibehalten, können wir das katastrophale Leben ohne Obszönitäten verhindern.
Dieser Artikel wurde ursprünglich auf The Conversation unter der Creative Common Lizenz veröffentlicht. Lese das Original hier.
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